In Anlehnung an Josef Guggenmoos‘ berühmtes Gedicht „Die Tulpe“, das wir aus Copyright-Gründen hier leider nicht abbilden dürfen, haben wir dafür ein anderes Tulpengedicht für Sie.
Die Tulpe
Ein Gärtner steckte sinnend
eine Zwiebel in die Erden.
Sprach, die Arme in den Hüften:
„Dies soll eine Tulpe werden.“
Für die Tulpe, noch verschlossen
begann eine dunkle Zeit.
Nicht bewundert, kaum begossen:
Der Frühling war noch weit.
Nicht viel später jedoch spürt sie
wie es von oben wärmlich zieht
und sie macht sich langsam auf
in die Richtung, die sie mied.
„Was schmeichelt mir so kräftig,
von dort oben zu mir her?“
Und die Tulpe, ganz geschäftig,
lüstet es plötzlich nach mehr.
Sie lässt sich ein Köpflein wachsen
und reckt und streckt sich schlicht
eh man vernimmt ein leises Knacksen
als sie durch die Oberfläche bricht.
Blinzelnd, leicht geblendet,
so gefällt ihr, was sie sieht
sie wächst und wächst noch weiter
als ob sie nach oben flieht.
Und schon, nach wen’gen Tagen
öffnet sie die Blüte auf
und hört schon jemand sagen:
„Na schau, du kamst herauf!“
Es ist der Gärtner wieder,
der ihre Zwiebel einst vergrub.
Er lässt sich zu ihr nieder –
und die Welt, sie war jetzt gut.
Wenn Ihnen dieses Tulpen-Gedicht gefiel (oder wenn sie einfach froh sind, dass Tulpe hier nicht ein einziges Mal auf „Nulpe“ gereimt wurde), dann freuen Sie sich vielleicht über weitere Blumen– oder Naturgedichte 🙂
Ich möchte noch ein bisschen über das Gedicht von Josef Guggenmoos sprechen.
Es geht los mit:
„Dunkel
war alles und Nacht.“
Das ist ein grandioser Anfang für das Leben aus Sicht einer Tulpe. Das Dunkel prangt wie die Szenenbeschreibung am Anfang. DUNKEL!
Aber es war nicht nur dunkel, es war auch Nacht. Alles war Nacht – alles schläft, wenn Nacht ist.
„In der Erde tief
die Zwiebel schlief
die Braune.“
Die Tulpe, bzw. ihre Zwiebel, wird hier vermenschlicht. Sie schläft in dieser Nacht. Fänden Sie es nicht auch ein bisschen unheimlich, so in völliger Finsternis, in vollkommener Nacht? Wie fühlt sich die Zwiebel? Fast schon ein Segen, dass sie schläft. Sie scheint entspannt. Schlummernd, in ihrer eigenen Welt.
Aber warum der Fokus auf die braune Farbe?
„Was ist das für ein Gemunkel,
was ist das für ein Geraune,
dachte die Zwiebel,
plötzlich erwacht.
Was singen die Vögel da droben
und jauchzen und toben?“
Vielleicht das „Braune“ nur erwähnt, um einen Reim für das „Geraune“ zu haben? Schwer zu sagen. Fällt Ihnen eine andere Interpretation ein?
Was ist das also für ein Gemunkel und Geraune, warum hat sie das vorher nicht gehört? Natürlich – weil Winter war. Und jetzt kommt der Frühling, mit Vögeln, die – neben anderen Lebenwesen – jauchzen und toben. Das Frühjahr bleibt also unerwähnt, wird aber wunderschön durch seine Lebendigkeit beschrieben.
„Von Neugier gepackt,
hat die Zwiebel einen langen Hals gemacht
und um sich geblickt
mit einem hübschen Tulpengesicht.“
Einen langen Hals machen – eine wunderschönes Bild (wie man die rhetorische Figur in diesem Fall nennt, ist mir nicht bekannt): Denn nicht nur reckt sie den Hals, wie es ein Nachbar macht, der sich wundert, was für ein Lärm aus meinem Garten schallt; denn sie reckt tatsächlich den Hals, ihren Stengel, um ihren Kopf, die Blüte nach oben zu heben.
Sie will jetzt auch Teil des ganzen Trubel sein! Nicht mehr tief schlafend in der Dunkelheit stecken.
„Da hat ihr der Frühling entgegengelacht.“
Die Tulpe ist willkommen, denn sie gehört dazu: Der Frühling freut sich, dass die da ist. Denn sie ist Teil von ihm, genau wie die Vögel und das Jauchzen und alles andere.
Nun, das sind meine spontanen Gedanken zu Guggenmoos‘ „Die Tulpe“. Nicht wahnsinnig tiefgründig. Aber ein Gedicht, das mir – zuvor noch unbekannt – sehr gut gefallen hat.