Schöne Gedichte über das Leben

Das Leben ist lebensgefährlich, soviel ist wahr. Aber gibt es auch ein paar schöne Gedichte über das Leben? Natürlich!

Hier finden Sie eine wachsende Zahl Gedichte über das Leben – mal zart, mal etwas bitterer, aber (hoffentlich) immer schön – denn Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge der Betrachterin.

Schöne Gedichte über das Leben - als Symbolbild für dieses Thema ein Foto einer Bergszene, im Vordergrund einige Menschen und Hunde auf einer Wiese am Bergteich, im Hintergrund schroffe, teils schneebedeckte Berge.
Wir wollen schöne Gedichte über das Leben –
aber kann es immer nur aufwärts gehen?
Eben.
Foto von Peter Ogilvie auf Unsplash

Sollten Sie sich ein spezifisches Thema für ein Gedicht über das Leben wünschen, schreiben Sie mir doch einfach!

Hier finden Sie Gedichte zur Geburt, Gedichte über Freundschaft und Dankbarkeit und über die Liebe, den Frühling, als Sinnbild für den Beginn des Lebens und den Winter, als Sinnbild für das Ende.

Viel Spaß!

Schöne Gedichte über das Leben – Die Gedichte

Das Leben ist wie ein Schiff!

Das Leben ist wohl wie ein Schiff:
Mal sind die Wellen hoch, mal nicht so sehr.
Mal verläuft es flach. Mal stößt man auf ein Riff.
Mal flüchtet man, mal setzt man sich zur Wehr.

Mal stürmt es, mal peitscht der Regen,
mal hat man sich den ganzen Tag gesonnt.
Es ist nie still, man muss sich stets bewegen
und stets den Blick zum allerletzten Horizont.

Dort fährt’s am Ende ein in einen Hafen,
und keiner ahnt – was wird uns dort erwarten?
Man weiß nicht: vielleicht kann man endlich schlafen
oder in ein gänzlich neues Abenteuer starten.

Das Leben ist wie eine Möhre!

Das Leben ist wie eine Möhre:
Relativ lang und relativ hart.
Manchmal schaust du in die Röhre
manchmal wirst du ein Salat.

Vielleicht wär man besser Petersilie:
am Anfang grün und saftig zart,
trocken welk dann als Fossilie
schmeckt nicht mehr gut, wenn’s Ende naht.

Ein warmes Bad

Man geht hinein, bleibt ein paar Jahre
schaut sich hier und dort mal um.
Dann fliegt man raus in einer Bahre
die Zeit geht viel zu hastig rum.

Man sollte sich schnell dran gewöhnen,
dass alles mal ein Ende hat.
Und statt tagein tagaus zu stöhnen,
manchmal steigen in ein warmes Bad.

Ein Staubkorn

Ein Staubkorn wirbelt durch mein Zimmer
es torkelt, tobt, es tost und tanzt,
das Leben, ach, es wäre schlimmer
wär man nicht sorgenlos, doch voller Angst.

Und ich hab doch Angst! Ich habe Sorgen,
wohl dich betrachtend, staubig Korn,
bleiben momentelang sie mir verborgen
doch morgen starten sie von vorn.

Ach könnte doch nur jeder Tag
des Lebens staubendkörnig blitzen
ich würde Stunden, so Gott mag,
staunend still daneben sitzen.

Gedicht zum Lebensende

Millionen von Schritten haben wir getan.
Ungezählt, ungemessen, die Füße sind wacker.
Sie tragen uns auf der unendlichen Bahn
über Straßen und Wege, durch Wald, über Acker.

Eine unendliche Bahn? Nein, ist es nicht.
Denn irgendein Schritt wird der letzte sein.
Und von einer Hoffnung erzählt dies Gedicht:
Dass man diesen einen Schritt nicht geht allein.

Drum nutze deine Schritte weise:
Such dir Freunde, Familie, zur Not auch Bekannte,
und ob du lauthals schreitest oder ausnehmend leise:
Nimm sie mit, am Besten bis ganz an die Kante.

Geburt bis Grab, nonstop

Die meisten von uns werden als Babys geboren,
und einen Tag älter wird man jeden Tag.
Allesamt sind wir Menschen dazu auserkoren
Schritt für Schritt zu Schritt uns zu nähern dem Grab.

Wenn das Leben eine Wolke wäre

Wenn das Leben eine Wolke wäre
könnte man dann auf ihr sitzen
könnte man auf ihr eine Himbeere
mit Eis essen, und schwitzen?

Wenn ja, dann nähm‘ ich dieses Leben an
denn ich mag Himbeeren und Eis
mir ist schon klar, dass man auch fallen kann
doch auf Wolken, glaub ich, fällt man leis.

Ein Pflanzenkeim wächst aus einer sandigwirkenden, trostlosen Bodenfläche heraus.
Das Leben blüht am hintersten Ort.
Es dauert recht lang, (außer bei Mord.)
Foto von Wolfgang Hasselmann auf Unsplash

Wenn das Leben eine Wüste wäre

Wenn das Leben eine Wüste wäre
mein Gott, das wäre schlimm.
Sie wäre, naja, wüst und leer,
wo bliebe da der Sinn?

Jedoch, wenn ich genauer denk‘:
Es könnte wohl nicht sein,
dass das Leben immer Wüste blieb,
das wäre mir zu klein.

Es wühlte sich mit Sicherheit
irgendwo ein Halm hervor
er reckte und er streckte sich
im Wüstensand empor.

Daraus würde dann das Leben blüh’n
und noch mehr Leben locken,
es würde Liebe, Sinn und Funken sprüh’n!

Oder naja –

vielleicht wär’s für all das auch zu trocken.

Es blüht

Das Leben blüht am hintersten Ort
unten bei den schwarzen Schloten
bei Wölfen, Füchsen und Kojoten
zwischen den Fußnägeln, selbst dort.
Das Leben blüht in den dunkelsten Gassen
oben auf den weißen Spitzen
es wuselt in den kleinsten Ritzen
es rührt durch aller Wässer Tassen.
Das Leben blüht selbst in den Därmen
tief drinnen in finstersten Werken
in den allerkürzest Augenmerken
selbst in Ohren will es lärmen.
Das Leben blüht am hintersten Ort.
Es schmiegt sich an dich und du bist es selbst.
Ihm ist egal, was du von ihm hältst:
Du bist sein erstes und sein letztes Wort.

Nicht nur

Nicht nur, wenn wir im siebten Himmel schweben
nicht nur, wenn wir am Faden eines neuen Abenteuers weben
nicht nur, wenn wir uns der Freundschaft und der Nacht hingeben
nicht nur, wenn wir den größten Schatz der Welt ausheben
immer sollten wir nach diesem Bewusstsein streben:
Dass egal, was wir auch tun – wir leben.

Was wenn man nur ein Leben hätte?

Es kommt ein Mann aus später Mette
und fragt sich blass, was denn wohl wäre
wenn man nur ein Leben hätte
da erfasst ihn eine Schwere.

Die Schwere geht mit ihm ins Bette
und ist noch da, wenn er erwacht.
Was wenn man nur ein Leben hätte?
Das hatte er noch nie bedacht.

Der Gedanke klebt wie eine Klette
an ihm, er lässt ihn nicht mehr los
Was wenn man nur ein Leben hätte?
Sitzt wie ein Alp auf seinem Schoß.

Fortan lebt er wie an der Kette
dieser Angst, die sich an ihm vergeht.
Was wenn man nur ein Leben hätte?
Er wird alt und hat kaum mehr gelebt.

Er hofft, dass man ihn noch errette,
doch zweifelnd geht er in den Tod.
Liegt starr und stumm auf seinem Brette
vergab das Eine, ohne Not.

Das Leben, ein Wimpernschlag

Das Leben ist ein Wimpernschlag
ein halbes Leben bald verflossen –
einen Mikrometer tiefer liegt ein Tag –
wenn das Auge sich vollends geschlossen.

Noch eh erreicht das volle Licht
die Stäbchen, Zapfen, Retina,
ist man schon alt, liest ein Gedicht
vom Herbst, denkt dran, wie’s früher war.

Kaum ist der Wimpernschlag vollbracht
trägt man heraus die alte Haut,
der Träger jung, gerad‘ Abitur gemacht,
in Viertelblinzeln schon ergraut.

Ach Zeit, ach Zeit, halte doch inn‘,
ach Lider, möget ihr verharren.
Doch Uhr mit Wimpern schlagen hin
wenn wir in Endlichkeit erstarren.

Paar Dinge, die man machen kann

Friede den Hütten!
Kohlegruben zuschütten
Blumen säen
Früh ins Bett gehen
Plauschen und plaudern
Machen, nicht zaudern
Küsse knutschen
Rutschen rutschen
Alles einreißen
Chefs wegbeißen
Alles aufbauen
Gletscher enttauen
Stecker rausziehen
Sich in Träume fliehen
Träume leben
Nach Freiheit streben
Mit Freunden versacken
Brot selber backen
Umarmen mit Gästen
Krieg den Palästen!

Noch paar Dinge, die man machen kann (Reprise 2023)

Man kann noch mehr Dinge machen:
über die Nachbarin lachen
ein Feuer entfachen
und in quietschbunten Sachen
durch Pappwände krachen.

Man kann das Leben aber auch ernster nehmen:
sich täglich mit Sonnenmilch eincremen
sich wegen Rammstein und Till Lindemann schämen
sich morgens zehn Minuten zu Youtube-Videos dehnen
und sich allgemein grämen.

Vielleicht liegt die Wahrheit dazwischen:
Man kann tanzen auf Tischen
sich Lachtränen abwischen
auch mal tagelang im Trüben fischen –
um unter tausend traurige Geschichten
auch mal eine glückliche zu mischen.


26.02.2022 – Die Neue

Die Neue ist noch frisch
sie stellt Obst und Zucker auf den Tisch
und hofft auf gute Tage
verständlich, keine Frage.

Es dauert doch nicht lang
bis oben, auf dem Rang,
ein erster brüllt, sie sei jetzt alt
und, mit frömmlicher Gewalt

ist sie dann mittendrin, beschmutzt,
weil man sich hier doch abnutzt
und zwar wahrscheinlich bald.
Die Neue ahnt noch nichts. Sie strahlt.

Trübe Haare spalten

Ich rühre in meiner trüben Tasse
der Zucker unten, löst sich nicht.
Ich bin mein einziger Insasse
seh der Tatsache in mein Gesicht.
Vielleicht noch etwas Salz, der Herr,
das Leben reicht noch einen Krug
ich stell mich dumm und etwas quer
nein danke, ich habe schon genug.
Manchmal muss man energisch rühren
nicht spalten jeder Suppe feines Haar
vielleicht auch innige Gespräche führen
dann wird manch Trübes wieder klar.

Im Krankenhaus

Leise etwas piept
hurtig jemand schiebt
ein Bett, um die Ecke
jede Wette
dass alte Medizin verdirbt
und gerade jemand stirbt.
Jemand wird auch sicherlich geboren
ein Ungefallter ungeschoren
kommt davon diesmal;
irgendwo auch eine Qual
ein Schmerz
ein flimmerndes Herz
Pause auf Station drei
jemand fühlt sich frei
jemand fühlt sich am Ende
und das ganze Krankenhausgelände
ein Summen wie von Ameisenhügeln
und irgendwo muss jemand Hemden bügeln.

Kurze Gedichte über das Leben

Manchmal tun es auch kürzere Texte – knappe Zeilen über die wenige Jahre, die uns auf der Erde bleiben. Aphorismenähnliche Werke, die uns trotz der Kürze ein Gefühl abringen.

Kleines Gedicht über Leben und Liebe

Ich weiß nicht, wie du die Jahre siehst,
oder was du fühlst, wenn du das Leben riechst.
Ich trau mich nicht zu fragen, weil
ich habe Angst vor Schames Flammen.
Doch ich weiß, ich verbrächte den größten Teil
des Lebens gern mit dir zusammen.

Lebensglückgedichts

Was wäre die allerletzte Zeile
eines Lebensglückgedichts?
„Man lebte, las und liebte eine Weile,
was man gelernt hat? Meistens nichts.“

Kleine Wetteranalogie

Wenn das Leben ein Blitz wär
dann würd es zucken.
Dann gäb’s sehr kurz viel Licht her
doch würd schon bald niemand‘ mehr jucken.

Und wenn es ein Donner wär
dann machte es viel Lärm.
Dann fiel manchem das Schlafen schwer
manchem würd’s rumpeln im Gedärm.

Zum Glück ist das Leben so viel mehr:
Das Wetter wär’s in unsrem Sinn.
Mal ist es leis, mal tönt es sehr,
es zöge mit uns sonstwohin.

In welken Jahren

„Jedoch in unsren welken Jahren“,
sind wir wirklich schon so welk?
Wenn ich schwelg, so lustvoll schwelg,
dann seh ich ein, dass wir nur waren.
Das Sein kam uns langsam abhanden
wie anderen Leuten ein Hut oder Stock
und wie die alten Freunde langsam verschwanden,
und wie ich so einsam in meinem Räumelein hock
da fühle ich die Äste rütteln
im Wind, den der späte Abend bringt.
Und höre, als sich von selbst von mir die Blätter schütteln
wie ein leises Nachtlied ferne klingt.

Wer in diesem „schönen Gedicht über das Leben“ – oder eher das Lebensende – die beiden Referenzen findet, bekommt ein Gedicht geschenkt 🙂

Ein dünnes Seil, an dem Blätter der gleichen Pflanze mit verschiedenen Farben hängen (links grün, dann nach rechts gelb, orange, schließlich dunkelrot werdend).
Erst ist man jung, dann ist man alt.
Dass das so geht
– und dass so früh schon wird es spät –
lässt mich nicht kalt.
Foto von Chris Lawton auf Unsplash

Ein normaler Tag

An einem stinknormalen Tag
stand ich auf und mir ging’s gut.
Da traf mich gleich ein fester Schlag:
Wie es das manchmal tut.

„Mein Gott“, rief ich, Hand an der Stirn,
„wie konnt ich das nicht sehen!
Ich bin gesund, hab Herz und Hirn,
kann sogar auch etwas nähen.“

Da grinste ich den ganzen Tag
denn mein Leben war beglückend.
Es war ein Tag, wie ich ihn mag,
ein normaler Tag. Entzückend!

Ein besonderer Tag

Es war ein besonderer Tag:
Die Sonne schien, dann etwas Regen.
Ich stand morgens auf, putzte die Zähne.
Konnt mich dazwischen viel bewegen.

Ging zur Arbeit, sprach mit Frauen,
auch mit Männern, das war nett.
Konnt auch ein wenig aus dem Fenster schauen
ging dann zum Baumarkt für ein Brett.

Zuhause essen mit den Kindern
noch etwas kuscheln mit der Frau.
Warum das ein besondrer Tag war?
Weil er gewöhnlich war. Genau.

Mittendrin du

Etwa sieben Milliarden
Neunhundertneunundneunzig Millionen
neunhundertneunundneunzig Tausend
neunhundertneunundneunzig –
und mitten drin du.

Juhu!

Dazwischen wir

Wenn wir zoomen
weit heraus:
Dann sehen wir das Universum.
Schön sieht’s aus.
Mit seinen Sternen und Planeten
mit erstaunlich wenigen Raketen
in handlichen Paketen
zu Galaxien putzt’s sich raus.

Wenn wir dann zoomen
weit hinaus:
Dann sehen wir Atome.
Kleiner als die kleinste Laus.
Mit ihren riesigen Protonen
und neutralsten Kleinstneutronen
wild tanzend‘ Elektronen
so winzig, Ei der Daus.

Und irgendwo dazwischen
in Lücken zwischen Kissen
fläzen wir.
Mit unsren klitzekleien Träumen
in unsren kuschligwarmen Räumen
oder gemütlich unter Bäumen
bei einem Bier.

Spazierstock

Einem Spazierstock gleich
wandere ich mit dir durch’s Leben
ich stütze dich, wenn du mal schwach
ich steh bereit, wenn du wirst wach.
Mit mir kannst du zwar nicht schweben
doch werden deine Knie weich
dann kann ich Halt dir geben.
Und du denkst darüber nach
„wär die Welt nur immer flach“
dann würdst du danach streben
dass ich dir anders reich –
als Hand-in-Hand-Spazierer eben.

Doch wie es ist, so ist’s ok.
Weil ich mit dir durch’s Leben geh.

Fußstapfen

Da sind Fußstapfen im Schnee,
dann trennt sich der Weg,
die Stapfen hören auf.
Jemand fragt, welchen ich geh.

Ich frage, wo die andren sind.
Und wessen es waren –
war es eine Frau, oder ein Kind,
festgefrorn, in jungen Jahren?

Ich stehe auch, an Wegesgabel,
kann nicht entscheiden – bin ich dumm?
Ich kratz‘ abwesend meinen Nabel.
Zuck mit den Schultern. Und dreh um.

20 Jahre

Der junge Mensch läuft durch den Flur
im Radio ein altes Lied.
Ich schaue fragend auf die Uhr:
die Zeit, die Zeit, sie flieht.

Zwanzig Jahre alt ist dieser Song
ich nicke wissend zu dem Beat
ich rufe zu ihm „Junge, komm!“
die Zeit, die Zeit, sie flieht.

Wir tanzen wortlos, Arme hoch
zur Musik, die aufwärts zieht
ich kenn die Worte immernoch
die Zeit, die Zeit, sie flieht.

Elvis, Beatles – DAS ist alt –
da ein Schaudern in jedem Glied:
nur alt für mich, was neu war: kalt –
die Zeit, die Zeit, sie flieht.

Der ausgefallene Zug

Der ausgefallene Zug:
Die Zeit vergeht wie im Flug
ohne Flügel
als straffe man kräftig die Zügel
ohne Pferd
der Zug ist verkehrt.

Denn er verkehrt nicht:
Eiswürfel gletschern über’s Gesicht
wenn sich der Wintertag dem Ende neigt
und man kraftlos über den Bahnsteig steigt.

Nur nicht hinein
Aha, in zwei Stunden der Ersatzbus
Na fein
Gute-Nacht-Kuss
es ist ein Kreuz rumzufahrn
mit der Deutschen Bahn.

Nackte Haut

Aus irgendeinem Grunde
den kein Mensch wirklich versteht
wird es trocken euch im Schlunde
wenn nackte Haut ihr seht.

Das hat das Leben so eingerichtet!
Ist es wirklich nicht viel mehr?
Nur eine Öffnung, die verdichtet –
ist mit der „Liebe“ nicht viel her?

Ich will es nicht recht glauben,
dass all’s Chemie, Hormone sei –
was unterscheidet uns von Trauben?
Ist der Mensch denn wirklich frei?

ich verstehe

Ich vergehe
du vergehst
er/sie/es vergeht
wir all vergehen –
ich kann das nicht verstehen.
doch wir vergehen
auch du
wo du auch stehst:
wir vergehen
wir verwehen
wir verwesen
du verstehst.

Ein vorletztes (?) schönes Gedicht über das Leben

Man sagt gemeinhin, dass der Herbst
Endzeit symbolisiere.
Wenn du, oh Gott, die Blätter färbst
ich durch Alleen herflaniere,

den Blick nach oben stolz gerichtet
in Himmel, Wolk- und Baumenkronen.
Bewundernd, wie es eicht und fichtet
grimm ob des Mangels an Optionen.

Dann frage ich:

Warum kann das Leben nicht ewig sein?
Warum muss jeder mal Platz machen?
Warum endet jeder unter Stein?
Es ist mir nicht zum Lachen.

Da fallen Blätter. ’s regnet schwer.
der Wind pfeift durch mein Haar.
„Herbst ist noch lang nicht Winter, Herr!“,
Vielleicht bleibt mir noch ein schönes Jahr.

Ein letztes schönes (?) Gedicht über das Leben

Es wird von allem ein Letztes sein:
Der letzte Schmus, der letzte Schmaus,
der letzte Blues, der letzte Wein.
Das Leben teilt nicht ewig aus.

Der letzte Kuss, der letzte Swing,
der letzte Fuß auf dem Asphalt,
ein letztes Feuerwerk, das niederging
in meinen Augen – dann wird es kalt.

Ein letzter Handstreich, dann nicht mehr.
Ein letztes Schluchzen, weiß nicht wer.
Dann ein langes, weites Meer
über das ich fahre. Zu dir her.

Es wird von allem Letztes sein:
Nur nicht von dir.
Ein letzter Strahl, ein letzter Schein –
doch du bist bei mir.

Lebenskunst

Eine kleine Wolke, wenn ich hauche
ein Fußabdruck am Strand
eine Kugelform am Bauche
ein Geruch, wo ich gerad stand.

Künstler sind wir so gesehen alle
hinterlassen einen Eindruck, wenn auch klein
unendlich groß die Exponatenhalle
da passen ziemlich viele Künstler noch hinein.

Und neue Leben

Ich habe einen linken und einen rechten Arm
einen Dünn- und einen dicken Darm
rechts und links je eine Niere
(wie übrigens die meisten Tiere).

Ich habe sieben Zehen und dreizehn mehr
zwei Augen, und die mag ich sehr
denn nur durch sie kann ich die Welt betrachten
und die Augen meiner Frau beachten.

Ich habe zwar nur ein Gehirn
es versteckt sich hinter meiner Stirn.
Doch in meiner Brust, da schlägt ein Doppelherz:
Nein, das war ein schlechter Scherz.

So insgesamt bin ich zufrieden.
Man soll ja seinen Körper lieben.
Der Fettanteil ist etwas hoch
ich fürchte gar, er steiget noch.

Mit etwas Glück ein paar Dekaden
werd ich in diesem Leib noch haben.
Dann, im Eichensarge drin
verwest er langsam vor sich hin.

Dann wachsen darin Fliegeneier
sie feiern eine Fliegenfeier
und irgendwann bin ich ein Moos
und neue Leben gehen los.

Bin ganz wenige Wochen erst bei dir,
hab schon Millionen Embryonen hinter mir
Foto von Jan Canty auf Unsplash

Und alte Leben

Ich führe ein altes Leben
noch nicht so alt wie andere –
aber trotzdem.
Man sieht mir an wie ich befalte
und wie meine Gelenke
täglich etwas steifer stehn.
Dreißig Jahre nur bis siebzig
na gut, vielleicht ein bisschen mehr
aber nicht so weit wie bis null
Torpedo Zeit, beeilt sich sehr.
Noch nicht in diesem Hauch und Blick
sind alle Spiele, alle Mienen*,
gefühlt, naja, mir nicht erschienen –
mir fehlt noch etwas Zeit zum Glück.
Man soll genießen, das ist klar,
ich tu es ja,
versuchs zumindest,
ich hoffe nur dass du, ja du
am Ende was mit mir verbindest.

*lesen Sie bitte Hesse – Auf den Tod eines kleinen Kindes

Dieser eine Moment

Es gab diesen einen Moment
der schwebt mir noch immer vor:
hängt wie eine Laus mir aus Zement
vor meinem Auge und geistigen Ohr.

Es war ein Sommertag auf einer Insel
Korsika, im Mittelmeer,
die Sonne hatte dich braun bepinselt
du warst nicht so verliebt. Ich sehr.

Ein Wasserfall, der Fels zu steil,
und glatt, du wolltest hochspazieren
ich sagte „du bleibst niemals heil!
bleib hier, ich will dich nicht verlieren.“

Da glitzerte die Sonne dir
in deine blauen Augen
als wollte sie, bei mir, und hier
etwas aus der Seele saugen.

Du tratst zu mir, gabst einen Kuss
schmecktest nach Zimt und nach Piment
und sagtest
„Sorry – ich mach Schluss“.

Mein Aug‘, mein Ohr, mein Herz: Zement.

Ein Herr bittet

Ein Herr schreibt mir:
Verfassen Sie doch noch ein schönes Gedicht über das Leben!
Weitere Spezifizierungen hat er keine.
In mir herrscht auch nicht gerade ein Ideenbeben –
ich bin ideenlos, hab auch nicht eine.
So geht’s im Leben ja sehr oft!
Man sitzt herum und flötet.
Mancheiner säuft sich dumm, ein anderer lötet
mancher tut’s im Garten, mancheiner im Loft.
Und man ist ganz bei sich selbst in seinem Hirn
und überlegt – wie geht’s wohl weiter?
Man isst vielleicht einen Apfel, oder eine Birn‘
und fragt sich: Wann war man eigentlich das letzte Mal heiter?
Und dann ist man ideenlos, und grübelt lang
erst wird einem Angst
dann wird einem bang
an Spezifizierungen herrscht kein Überhang!
Früher schien die Straße breiter.
Und dann grübelt man einfach nicht mehr
sondern lötet weiter, oder säuft
bis einem, von weißnichtwoher
eine Idee einfach so in den Kopf rein läuft.
Ja, das ist dann wundervoll:
Neue Perspektive, neue Sicht.
Nur worüber ich jetzt schreiben soll
das weiß ich noch immer nicht.

Gedanken beim Zugfahren

Baum Baum Baum Baum
ein Mensch mit einem Hund und Traum
vielleicht, ich kann ihn ja nicht fragen
muss weiter durch die Gegen jagen.

Haus Haus Haus Haus
ein Mädchen guckt vereinzelt raus
träumt auch sie von dieser Raserei?
Ich kann nicht fragen, schon vorbei.

Wasser, Wasser, Fluss und See
vielleicht die Donau, oder Spree?
Die Welt von gestern, auch von morgen,
ich sitz im Heute, warm, geborgen

und reise weiter durch das Land
ich sehe dabei allerhand
doch interessiert mich all das gar nicht viel:
Denn ich habe ein bestimmtes Ziel.

Lächelnd blinzle ich heraus
und singe leise Schubilu
denn mein Ziel tagein, tagaus,
bist du.

Tröstender Gedanke

Und irgendwann, da kommt das Lebensende –
vielleicht nimmt man diesen letzten Tag
mit Lust und Freud in seine Hände
und man sagt, dass man ihn mag.

Denn jedem Anfang, wusste jemand,
wohnt ein Zauber inne, so viel ist wahr.
Doch auch dem Ende ist der Zauber nah
und am Ende jedes Meeres liegt der Strand.

Drum schreite wohl voran, wenn es noch geht
schließe die Augen, öffne die Seele,
und schau mit dem Herzen, was in der Ferne steht,
und zähle rückwärts, zähle, zähle –
bis dieser Wind dich leis umweht.

Das alles ist und war

Wenn wir jetzt die Schuhe schnüren
dann wird die Zeit
die Zeit, die Zeit, die Zeit
dann wird die Zeit uns unweigerlich wieder zusammenführen.

Denn zwar beißt sie auseinander
sie ent-
zweit, was stets zusammen,
egal wie weit ich mit dir wander:
Sie zerreißt und knüllt und hüllt in Flammen.

Und alles zieht von dannen.

Und alles wird Physik.
Und alles tobt
wild durcheinander.
Und nichts
bleibt bei sich.
Alles Entropie?
Verlust jeder Struk-
tur.

Aber dann:

Etwas fängt von vorne an.

Und fügt sich neu zusammen.
Und uns wird klar:
Dass in der Zeit,
der Zeit, der Zeit,

Dass in der Zeit
alles beieinander ist
und war.

Was war das? Vielleicht dein Lebensglück…
vorbei, verweht, nie wieder.

aus: Kurt Tucholsky – Augen in der Großstadt
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

aus: Dietrich Bonhoeffer – Von guten Mächten wunderbar geborgen