Haiku

Haiku sind traditionelle japanische Gedichte, die einem recht starren Schema folgen. Das klassische Haiku enthält nur drei Zeilen, mit je 5 Silben in der ersten, 7 Silben in der zweiten und wieder 5 Silben in der letzten Zeile. Diese traditionelle Erzählweise wird aber häufig variiert.

Oft drehen sich Haiku um Naturbeobachtungen, es können jedoch auch Gefühle oder andere Dinge beschrieben werden. Das moderne Haiku entledigt sich aller strenger Vorgaben und hält sich meist nur noch in der Dreizeiligkeit an das traditionelle Schema.

Sie finden hier einige Haiku-Beispiele zu ganz verschiedenen Themen. Falls Sie besondere Gedichtformen interessieren, finden Sie auf unserer Seite auch noch Schneeballgedichte, Akrostichons, Rondelle, Parallelgedichte und Elfchen.

Der Mount Fuji in Japan, dem Geburtsort des Haiku.
Fuji
Ein Berg überwacht
Ein Dunst verschleiert den Blick
Japan: Sehnsuchtsort.
Foto von Alessandro Pacilio auf Unsplash

Viel Spaß!

Haiku – Frühling

Der Frühling ist die Jahreszeit der Kirschblüte. Waren Sie schon einmal ein Japan? Wenn nicht, fühlen Sie sich nicht trotzdem manchmal dorthin gezogen, wenn Sie Bilder wie weiter unten sehen?

Natürlich verbringen wir im Frühling viel Haikuzeit in der Natur. Mit Knospen und Bienen, Pollen und Teichen.

Frühlingshaiku #1

Eine Knospe springt:
Düfte zerfasern die Luft.
Zaghaft summt der Bien.

Frühling #2

Eine Hummel schwebt:
Bedächtig klebt der Pollen
Sie fliegt mutig von dannen.

Frühling #3

Der alte Teich taut auf.
Fische kommen zur Oberfläche:
Wie sich die Sonne spiegelt!

Frühlingshaiku #4

Verliebte Rehböcke
hüpfen behende durch’s hohe Gras
auf der Suche nach Glück.

Frühling #5

Ein Maikäfer summt.
Er weiß um seine kurze Zeit
Der Himmel strahlt ihm.

Frühling #6

Der Wald wird lebendig
ein Hase schnüffelt, hoppelt
nun ist der Frühling da.

Frühlingshaiku #7

Ein Gänseblümchen
Alleine auf der Wiese
Doch Freunde kommen.

Frühling #8

Ein Hase: Schnüffelnd.
Vielleicht bringt er uns Freude
Denn Ostern ist nah.

Frühling #9

Die Himbeere blüht
Sie verheißt uns den Sommer
Ein Vogel umkreist sie schon.

Hier finden Sie mehr Frühlingsgedichte.

Kirschblüten am Baum in der Nahaufnahme.
Kirschblüte
Rosfarbiger Wald
Ein kleiner Bach rauscht im Ohr
So, wie es sein soll
Foto von Marina Reich auf Unsplash

Haiku – Sommer

Der Sommer – heiß und schwül, sonnig und schwer, in Japan wie in anderen Ländern. Kommen Sie mit zu ein paar Sommerhaikus, und schreiben Sie mir gern, wenn Sie mehr davon möchten, oder zu einem spezifischen Thema.

Sommer #1

Ein Sonnenstrahl springt,
zwischen jungen Rehen Licht –
eine Wiese Übermut.

Sommer #2

Die Luft flimmert laut,
ein Frosch traut sich hinaus:
Grashalme liegen still.

Sommer #3

Der See liegt ganz still.
Menschen dröhnen um ihn –
Bäume warten auf Regen.

Sommer #4

Stiller Bergfriedhof
untergehende Sonne
letzte Sommerwärme.

Sommer #5

Eine Nachtigall:
Sie pfeift dem lauen Morgen
Glückliches Erwachen.

Sommer #6

Lange bleibt es hell
Die Grillen zirpen ihren Ton
Verliebte Küsse.

Sommer #7

Knackende Wälder
Ist es ein Tritt, ist es Feuer
Immer größer die Gefahr

Sommer #8

Jemand surrt unhörbar:
Eines Borkenkäfers Flügel.
Die Bäume zittern.

Sommer #9

Wenn diese Pfütze
unendlich langsam vertrocknet:
Keine Mückenheimat mehr .

Hier finden Sie mehr Sommergedichte.

Haiku – Herbst

Es muss gar nicht immer das Land im fernen Osten sein, an das sie beim Lesen von Haikus denken müssen. Genauso kann ein Haiku im Herbst ihre Umgebung darstellen – ob ein Berg in Österreich, das Watt im hohen Norden oder der Stadtpark von Wanne-Eickel. Lesen Sie hier Herbsthaikus und sagen Sie Bescheid, wenn Sie mehr davon wollen.

Herbsthaiku #1

Bäume schütteln sich
Alte Last werfen sie ab
Ein Fuchs beobachtet stumm.

Herbst #2

Die Kronen sind rot
wieder so feucht ist der Boden
die Erde atmet auf.

Herbst #3

Hirsche senken ihr Haupt
Die Welt wird nun lange rasten
Eine Brise im Wald.

Herbsthaiku #4

Ein Strahl kommt hindurch
Er beleuchtet das Geweih
Jetzt schaut das Reh auf.

Herbst #5

Ein Wind kommt über’s Meer
verfängt sich im Haar einer Frau
Sie spürt es noch kaum.

Herbst #6

Etwas huscht umher:
Ein Eichhörnchen sammelt Nüsse
Sie sind schon rar.

Herbsthaiku #7

Ein Blatt: Fällt und fällt.
Tanzt schlingernd seinen Tanz –
bleibt dann ewig liegen.

Herbst #8

Der Wind rüttelt und
die Fensterläden klirren.
Gut, drinnen zu sein.

Herbst #9

Eine Stadt im Herbst
Menschen wuseln, sie sammeln
Gedankenvorräte.

Hier finden Sie mehr Herbstgedichte.

Überblick über Kyoto im Herbst.
Kyoto im Herbst.
Foto von Su San Lee auf Unsplash

Haiku – Winter

Und zuletzt im Reigen der Jahreszeiten: Der Winter – Haiku machen auch vor ihm nicht halt. Kuscheln Sie sich ein, halten sie sich warm. Und lesen Sie ab und und zu ein Winterhaiku.

Winterhaiku #1

Er schwebt in der Luft:
Ein Geruch, der näher kommt.
Leiser Hauch von Schnee.

Winter #2

Ein Hermelin steht allein
das Schneetreiben wird dichter
Jetzt nur noch der Schnee

Winter #3

Äste brechen unter Last
Weißes Puder schwebt umher
Kein Geräusch entsteht.

Winterhaiku #4

Knackendes Eis
Es hält die Spannung nicht aus
Immer tiefer die Kälte.

Winter #5

Eisiger Wind
alles zieht sich leise zurück:
Nun langes Warten.

Winter #6

Ein letzter Kuss:
Das Jahr verabschiedet sich.
Etwas Neues beginnt.

Hier finden Sie mehr Wintergedichte.

Haiku über Liebe

Haikus drehen sich klassischerweise um Naturmotive, weniger um die Liebe und Romantik. Andererseits sind wir doch auch alle Teil der Natur, zumindest in unserem Urzustand. Und unsere Hormone sind noch immer Teil dieses Urzustandes. Warum also nicht ein Haiku über die Liebe?

Liebeshaiku #1

Ein nervöses Zittern
Die Berührung: Mit Absicht.
Sie lächelt im Dunkeln.

Liebe #2

Verlassene Gefäße
Der Motor: Leergefegt.
Du lässt mich blutleer zurück.

Liebe #3

Ein Mensch weint
Hält die Hände vor’s Gesicht
Er strahlt vor Freude

Ein Pärchen auf einem hohen Gebäude in Fukuoka, sie könnten Protagonisten des assoziierten Haiku sein.
Ein nervöses Zittern
Die Berührung: Mit Absicht.
Sie lächelt im Dunkeln.

Foto von Roméo Arnault auf Unsplash

Liebeshaiku #4

Freudentränen und
Innige Küsse, Allseits:
Am Ankunftsschalter.

Liebe #5

In ihren Augen –
ein Blitzen und ein Lächeln
sie hat mich erhascht.

Liebe #6

Ein vergessener Schmerz:
Sie dreht sich um und geht doch.
Zerplatzender Traum.

Haiku – Sonstige

Noch mehr japanische Kunstgedichte – über die Natur, in erster Linie, aber auch über Abschiede, Ostern und Knilche.

Haben Sie ein besonders Thema, über das Sie gerne ein Haiku lesen würden? Ich freue mich, wenn Sie mir schreiben (einfach auf’s Impressum klicken, da steht die E-Mail-Adresse :))

Knilch

Ein fliehender Knilch.
Er fällt kopfüber in Matsch.
Er rappelt sich auf.

Naturhaiku

Er steht ehrfürchtig
Ein junger Mann, umherschauend
Wie gewaltig die Natur.

Wasser

Eine blaue Spiegelung
Da, die Amsel nimmt ein Bad!
Tropfen fallen hinein

Abschied

Man geht voneinander.
Nie kann etwas ewig dauern:
die Stille danach.

Schneehaiku

Spuren im Schnee,
etwas ist hier gelaufen.
Neuer Schnee fällt.

Ostern

Eine Narzisse blüht.
Daneben ein buntes Ei:
Gefundene Freude

Samurai

In der Sonne blitzendes Schwert.
Der Mann wartet, er wartet.
Dann schlägt er zu.

Mond

Silberne Fäden im See.
Ein Molch schaut auf, hoffend:
Wann ist die Nacht vorbei?

Weihnachten

Ein dicker Mann kommt:
Es rumpelt auf dem Dachfirst.
Er lässt etwas zurück.

Liebe

Ein fröhlicher Knall:
Hormone fluten alles.
Für immer berauscht?

Geburtstag

Partyhüte auf
aufgeplusterten Köpfen:
Es ist Geburtstag.

Die Glocke

Eine Glocke entsteht:
Viele Arbeitsschritte sind nötig.
Dann: Bim-bim-bim-bim.

Eichhorn

Es erklimmt den Baum
Ein sehr kräftiges Hörnchen
So dick – ein Eichhorn.

Hochbeet

Das Hochbeet brummt jetzt:
Insekten rasen umher
Die Zucchini jauchzt.

Die Zitterpappel

Sie wirft alles ab
wie Schneeflocken in der Luft
die Kinder tanzen