Goethe: Seine wichtigsten Gedichte

Oh, welch Trubel, welch Blasphemie, hier eine Liste mit den wichtigsten Gedichten Goethes hinzustellen! Und doch – so soll es sein. Hier finden Sie – in einer wachsenden Liste – die aus Gedichtefreundscher Sicht eklatantesten lyrischen Werke Goethes. Nicht im Volltext, sondern als Link mit kurzer Beschreibung.

Portrait Goethes, dessen Gedichte so cool sind, dass er hier eine flotte Sonnenbrille verpasst bekommen hat.
„Egal wie dicht du bist,
Goethe ist Dichter.“
Bild von Angelica Kauffmann (ohne die Brille)

Diese Liste ist kuratiert nach „Der Gedichtefreund kennt es und viele Leute suchen danach bei Google“, weniger nach harten Kriterien. Welche fehlen Ihnen? Schreiben Sie mir gern und ich füge sie eventuell hinzu.

Vielleicht interessieren Sie sie nicht nur für Goethe, sondern für alle anderen deutschen Dichter*innen? Dann sehen Sie in unserer Liste der berühmtesten deutschen Gedichte nach.

Viel Spaß!

An den Mond

Den alphabetischen Einstieg gibt das Gedicht „An den Mond“, und mit ihm ein melancholisches Gedicht, das nur vordergründig von einer Naturbetrachtung, eigentlich aber vom Rückzug in dieselbe, von Freundschaft und Enttäuschungen spricht.

Ein Auszug aus "An den Mond" von Goethe, vor dem Foto eines Mondes vor Wolken.
Was hat Goethe so melancholisch gemacht?

Den vollständigen Text und – wie so häufig – eine schöne Interpretation, finden Sie beim Antikörperchen: Goethe – An den Mond

Das Göttliche

„Das Göttliche“ ist ein interessantes Gedicht, besonders verglichen mit seinen weiteren lyrischen Werken. Deutlich nüchterner wirkt es, es reimt sich nicht, es ist viel eine gefühllose Betrachtung als seine sonst so zu Sentimentalität und Melancholie anregenden Gedichte.

„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!“

Fast klingt das Gedicht wie eine Aufforderung, oder eben eine Feststellung – dass der Mensch nicht nur dem Göttlichen ähnlich sei, sondern dass er auch so handeln solle. Aber eben nur götterähnlich – ganz so weit geht er dann noch. Das Gedicht stellt eines der berühmtesten Werke seiner „Nicht-Sturm-und-Drang“-Phase dar, und zwar seiner klassischen Phase. Dass ich „Nicht-Sturm-und-Drang“ so in Anführungszeichen setze liegt daran, dass ein Großteil seiner berühmteren Werke der „Sturm-und-Drang“-Phase entspringen und er der mit tausend Meilen Abstand bekannteste Vertreter dieses Begriffs ist.

Das ganze Gedicht lesen Sie hier: Goethe – Das Göttliche

Der Fischer

Der Fischer war mir zuerst aus einem ZEIT-Artikel bekannt geworden – da zitierte der Schreiberling (bzw. die Schreiberlingerin, ich erinnere mich nicht mehr) das „Highlight“ dieses Gedichts:

„Halb zog sie ihn,
halb sank er hin“

Im Gedicht geht es um einen Fischer, der an einem kleinen See sitzt und angelt. Plötzlich schwillt das Wasser an und eine Nixe kommt heraus. Sie verführt den Angler – die gesamte zweite Strophe lang in wörtlicher Rede – zu ihm zu kommen, in ihr Reich. Der Angler, ganz Mann und Testosteron, vielleicht auch ein wenig Sehnsucht nach etwas Größerem, folgt ihr in die Tiefe – und stirbt natürlich.

Dieses ganz und gar metaphorische (ist das die richtige rhetorische Figur?) Gedicht gefällt mir auch heute noch ausnehmend gut und gilt als eines der bekanntesten Goethe-Gedichte.

Hier lesen Sie es, zusammen mit einigen Gedanken: Goethe – Der Fischer

Der Zauberlehrling

Der Zauberlehrling ist durchaus und ach eines der berühmtesten Gedichte – nicht nur Deutschlands, sondern wahrscheinlich sogar der Welt. Zwar ist es nicht so, dass jeder Amerikaner die englische Übersetzung des Werkes auswändig aus dem Hut zu zaubern vermag – aber ein sehr großer Teil der Kolleginnen und Kollegen hinter dem großen Teich kennt eine Umsetzung des Gedichts: Nämlich die mit Micky Maus.

Frühes Meister-Azubi-Verhältnis, dargestellt in einer süßen Ballade

Die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht mehr los – auch dieses geflügelte Wort kennen Sie sicher – stammt ebenfalls aus dem Zauberlehrling.

Hier finden Sie das Gedicht mitsamt einiger Gedanken: Goethe – Der Zauberlehrling

Erlkönig

Und nun zum krönenden Königsgedicht des alten Dichters, dem Erlkönig. Wie viele Persiflagen und Parodien es zu diesem Werk gibt! Mehr als Erlen in so manchem Wald.

Völlig unnötig, hier mehr zu schreiben – wenn Sie den Erlkönig nicht kennen, sind Sie kein wahrer Gedichtefreund. Pfui! Aber keine Sorge, sie können sich auf die Sprünge helfen lassen, denn der Gedichtefreund hat ihr lyrisches Wohl im Blick:

Hier finden Goethes Erlkönig mit einigen Gedanken.

Ganymed

Ganymed wurde, wie das ungleich berühmtere „Prometheus“ (siehe unten) ungefähr zur gleichen Zeit und in Anlehnung an eine Gestalt aus der griechischen Mythologie verfasst. Nur dass Ganymed kein adler-zerfressener Titan war, sondern ein unsterblich schöner Mensch, Sohn irdischer Könige.

Wie so oft in Goethes Sturm-und-Drang-Zeit geht es um die „Verbundenheit mit der Natur und das Streben zu Gott“ (Wikipedia).

Inhaltlich klingt das Gedicht für heutige Ohren vielleicht wie eine Art Rausch und hat – zumindest für mein Gedichtefreundsches unprofessionelles Dafürhalten – nicht halb so viel Glanz, Wiederentdeckungsfreude und Gloria wie viele andere von Goethes Werken.

Aber urteilen Sie selbst! Hier finden Sie Ganymed in der vollständigen Fassung.

Gefunden

„Gefunden“ ist ein beinahe niedliches Gedicht, das wenig düstern, episch und hymnisch daherkommt – sondern sich auf ein kleines Gewächs bezieht, ein Blümchen, das der Ich-Erzähler in einem Wäldelein findet. Statt es unsanft auszurupfen oder es wie das Kinde eine Distel zu köpfen, redet das Blümelein ihm ein, es doch bitte auszugraben. Was der Ich-Erzähler denn auch tut.

Auszug aus Goethes Gedicht "Gefunden", vor einer Wiese mit zwei kleinen Blümchen am Rand.
Goethe kann auch niedlich

Goethe kann auch niedlich – und klar, es kann etwas Schönes daraus erwachsen, wenn man es leben lässt. Fast schon durchsichtig, für Goethes Verhältnisse, aber es gefällt mir. Sowas würde auch der Gedichtefreund schreiben, nur eben 250 Jahre später.

Hier finden Sie das ganze Gedicht: Goethe – „Gefunden“

Maifest / Mailied

Maifest, mancherorts auch „Mailied“ genannt, „beschreibt autobiographisch Goethes Liebe zu einem Mädchen, durch welches Natur und Seele, sowie Landschaft und Mensch für ihn zu einer Einheit werden.“ (Antikörperchen). Wow.

Dass Goethe dies geschrieben hat – und dass vor ihm Menschen tausendfach auf den Gedanken gekommen sind, dass der Mensch Teil der Natur (und manchmal auch nicht unbedingt der Krone Schöpfung) ist – und seitdem 250 Jahre vergangen sind, zeigt nur eins: Die Menschen haben nicht viel aus Goethe gelernt.

Denn haben wir uns nicht in den vergangen Jahrhunderten weiter und immer weiter von der Natur entfernt, von der wir vorgeben, Teil zu sein? Und schreiben wir nicht immer noch Wissenschaft darüber, wie heilsam es für unsereins ist, sich in den Wald zu begeben? Und wir hormongesteuert wir sind, wenn es ums Paare bilden und ineinander verknoten geht?

Nun – ja. Entdecken Sie Goethes Mailied und sehen Sie selbst, was es Ihnen sagt. Denn:

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
und Morgenblumen
den Himmelsduft,
wie ich dich liebe
mit warmem Blut
die du mir Jugend
und Freud und Mut
zu neuen Liedern
und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
wie du mich liebst!

Das ist schon ziemlich schön zugegeben. Mailied.

Osterspaziergang

Hm, vielleicht fragen Sie sich, ob der „Osterspaziergang“ wirklich so berühmt ist. „Erlkönig“? Klar. „Wandrers Nachtlied?“ Na gut. Aber „Osterspaziergang“? Muss denn wirklich jedes Goethe-Gedicht berühmt werden, nur weil es eben ein Goethe-Gedicht ist? Muss der Gedichtefreund es allein deshalb hier integrieren, weil es nun mal ein Ostergedicht ist, und die Leute eben gerne auch nach Ostergedichten berühmter Dichter suchen?

Das dürfen Sie alles gerne glauben, denn, wie heißt es so schön?

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein“

Und genau aus diesem Osterspaziergang stammt dieses Gedicht!!!

Sind Sie jetzt überzeugt, dass dieses weitere Werk unbedingt in diese Liste gehört?

Na bitte.

Stammt übrigens aus Faust, das Ganze. Hier finden Sie den ganzen Text: Goethe – Osterspaziergang.

Prometheus

Prometheus ist der Knabe, der in der griechischen Mythologie immer wieder von einem fiesen Adler aufgefressen wurde, oder zumindest seine Leber, die sich immer wieder neu regenerierte. Das ist ganz interessant, denn wussten Sie, dass die Leber tatsächlich eine recht hohe Regenerationsgabe hat?

Darum allerdings geht es in Prometheus nicht, viel mehr geht es um einen sich auflehnenden Titanen, der sich lyrischerseits an eine Abrechnung mit den Göttern und Göttinen macht.

Ein Auszug aus Goethes "Prometheus" vor einem Bergzug.
Ungefähr so, als würden Sie ihren Chef zur Sau machen.
Nur halt im Goethe-Style.

Hier finden Sie das ganze Gedicht: Goethe – Prometheus

Wandrers Nachtlied

Oh, meine Liebe. Dieses Gedicht schrieb ich einst im Harz an die Tafel eines Gruppenhotels, für dass es dort mindestens ein halbes Jahr stehen bliebe. Allerdings: Es wurde kein Faksimile erschaffen, so wie von Goethes Original – das er wohl ebenfalls in einer Harzer Wanderhütte an die Wand kritzelte.

So viel wurde über „Wanderers Nachtlied“ geschrieben, ein Gedicht – eigentlich aus zwei Teilen bestehend, dessen zweiter Teil jedoch allein den ganzen Ruhm einheimste – so schön, dass ich es hier einfach komplett einmal wiedergebe. Es ist auch angenehm kurz.

Ueber allen Gipfeln
Ist Ruh‘,
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
Ruhest du auch.

Kennen Sie den Song „Hurt“, von Johnny Cash? Irgendwie erinnert es mich daran. Nur dass hier die Reihenfolge anders wahr: Als Trenz Reznor der „Nine Inch Nails“ das Lied verfasste, war es Cash, der es zu großem Ruhm brache. Meine Abschreibung von Goethes „Wandrers Nachtlied“ hat bisher nicht zu Berühmtheit geführt.

Willkommen und Abschied

Den Abschluss macht „Willkommen und Abschied“, ein mit zunehmendem Alter mehrfach überarbeitetes Gedicht, ebenfalls ursprünglich aus seiner Sturm-und-Drang-Phase. Hier ein Auszug:

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!

Dass Sie hier nicht viel mehr darüber lesen liegt u. a. daran, dass mich das Gedicht nicht besonders anspricht – vielleicht spricht es aber Sie an, Sie Gedichtefreund, deshalb sollten Sie es unbedingt auch in Gänze lesen.

Nun, das war es mit den wichtigsten Gedichten Goethes. Was sagen Sie dazu?