Theodor Fontane: Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

„Herr von Ribbeck“ ist vielleicht das bekannteste Gedicht von Theodor Fontane, in dem es um weit mehr als um ein Stück Obst geht. Es stammt aus dem Jahr 1889 und erzählt vom namensgebenden Adligen, einem gütigen Herrn, dessen Tod zu großem Unglück in seinem Orte führt – hätte der gewitzte von Ribbeck nicht vorgesorgt.

Dieses Gedicht gehört zu den bekanntesten Werken deutscher Lyrik – hier finden Sie mehr berühmte Gedichte.

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Foto von Delia Giandeini auf Unsplash

Hier finden Sie das ganze Gedicht und eine kurze Betrachtung. Hier finden Sie „John Maynard„, ebenfalls von Fontane, sowie „Die Brücke am Tay“ und noch weitere aus seiner Feder.

Und hier finden Sie mehr Herbstgedichte.

Viel Spaß!

Das Gedicht

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit

Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ’ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht –
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn‘ ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung‘ übern Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: »Wiste ’ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew‘ di ’ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Eine kurze Betrachtung des „Herrn von Ribbeck“

Es gibt noch immer einen Herrn von Ribbeck, einen direkten Nachfahren des „Urherrn“ (und wohl auch seines bösen Sohnes), der im Havelland die Tradition weiterführt – und ab und zu einen neuen Birnbaum pflanzt, wenn der alte nicht mehr trägt. Insgesamt zieht sich die Gedichtradition nun also bald 150 Jahre durch die Geschichte und die Ursprungsgeschichte geht nochmal etwa 100 Jahre weiter zurück.

Auch in der Familie des Gedichtefreund ist „Herr von Ribbeck“ eine Tradition. Mein Vater musste das Gedicht schon in seiner eigenen Schulzeit auswendig lernen und wurde dann später selbst Grundschullehrer, sodass er sich den Text für immer in Kopf verwahrte. Noch heute rezitiert er es ab und zu, zum Beispiel wenn ein Gespräch sich um Lyrik dreht, oder um das Auswendiglernen, oder um Birnen.

Ich selbst mochte das Gedicht schon immer, es hat einen positiven Klang und beinhaltet in der Kürze des Texts immerhin eine dramatische Wendung bei einer insgesamt sehr befriedigenden Geschichte mitsamt süßem Lokalkolorit. Und nun liest es mein Sohn, bzw. bekommt er es vorgelesen, in einer wunderschönen Holzschnittversion von Nonny Hogogrian. Er fordert es immer wieder mal ein, wahrscheinlich genauso sehr aufgrund der Bilder, wie des melodiösen Texts.

Am Ende fragt er mich, warum der „Neue“ so böse ist und warum überhaupt ein neuer Birnbaum wächst und man kann ihm schön über Nachbarschaft und Gutmütigkeit und Großzügigkeit und Teilen erzählen. Bei mir im Dorfe (allerdings nicht im Havelland) saß damals immer der alte Herr Brandt in der Sonne vor seinem Haus. Der verteilte Werther’s Echte, wenn man ihn fragte, komplett ohne Worte und Hintergedanken. An ihn muss ich immer denken, wenn ich vom Herrn von Ribbeck lese. Wäre schön, selbst mal so ein guter Mann zu werden, an den sich Kinder gerne erinnern.

Inhaltlich und formal gibt es, denke ich nicht viel zu interpretieren beim Herrn Ribbeck. Theodor Fontane hat einfach eine alte Geschichte (über die schon vorher gedichtet worden war) zu einem schönen lyrischen Werk verarbeitet, das anscheinend schon vor über hundert Jahren so gut ankam, dass es auch heute noch zu den berühmtesten deutschen Gedichten aller Zeiten gehört.

Wo Sie schonmal hier sind…

Ein paar Naturgedichte aus der Feder des Gedichtefreunds.

Noch eine Birn‘ (2050)

Das Land liegt wieder in schwerer Hitze
das Gras liegt dörr, die Bäume sterben
nur ganz oben an des einen Spitze
will eine Birne um die Ernte werben.

Die Menschen holen Leitern ran
sie prügeln drum, stechen sich ab
am Ende kommt nur einer dran
der Baum fällt um, der Mensch herab.

Irgendwie schafft er’s zu leben
beißt in die Birne, letzte ihrer Art
in seinem Darm ein letztes Beben.
Die Menschheit hängt an einem Draht.

Über’s Land

Wer dies nicht kennt –
wer niemals auf dem Gipfel stand,
der weiß nicht, wie es ist,
wenn der Blick zum Horizont sich spannt.

Denn der Horizont ist weiter –
erstreckt sich ganz bis an den Rand.
es ist, als ob ein ferner Reiter
den Weg zum Himmel endlich fand.

Und tritt man dann zurück ins Tal
wo alles eng und unentspannt
dann sehnt man sich zurück hinauf
den Blick zu schweifen
über’s Land.

Sophie und der Mond

Ein Mond ist aufgegangen
sie weiß noch nicht, dass es nur einen gibt.
Der sich, wenn es nicht verhangen,
lautlos über den Himmel schiebt.
Jeden Abend sucht sie ihn –
freut sich, wenn er sich ihr zeigt –
und manchmal, wenn er besonders hell ihr schien
ist sie ganz ehrfürchtig und schweigt.
Der Mond ist sowas wie ein Freund für sie
deutet ihr den Weg, ist ihr Begleiter
und, es ist wohl nur meine Fantasie,
vielleicht fliegt sie zu ihm, oder noch weiter
eines Tages, man weiß ja nie.

Flattermann

Es flattert ein Falter
über den Asphalt
der Asphalt ist schon kalt
in der sternenklaren Nacht.
Der Falter sagt „Alter,
die Welt ist wie gemalt
und ich habe gerade
keinen Gedanken gedacht.“
Und so fliegt er weiter
über ihm die Plejade
und alles was er noch macht
in dieser Nacht,
macht er heiter.

Kindliches Meergedicht

Ein Blick über das Meer:
Es glitzerglatzert.
Und plitscherplatschert.
Ich mag es sehr.
Ein Boot fährt hin und her.
Es wickelwackelt.
Und hochundruntert.
Es ermuntert.
Ich mag das Meer:
Denn es ist so ruhig.
So friedlich jedes Boot.

Außer, wenn es tobt.